Das erste Observatorium auf Teneriffa

An der Guajara erreicht das Amphitheater der steilen Felswände, die den Teide-Nationalpark von der Fortaleza im Norden bis zur Montaña de Chasogo im Südwesten umgeben, seinen höchsten Punkt. Dieser Felszirkus ist der sichtbare Überrest eines Vulkans, der mit Sicherheit an Durchmesser viel größer als der Pico del Teide, aber nicht unbedingt höher als dieser war.

Von diesem Prä-Caldera-Vulkan weiß man nur wenig. Er verschwand 180 000 bis 1 000 000 Jahre vor unserer Zeit durch gewaltige Flankenabbrüche im Ozean. Die Guajara ist der höchste stehen gebliebene Rest dieses Giganten. Wenn man morgens zeitig genug aufbricht und den Weg über die Degollada de Ucanca nimmt, kann man, in ihrem Schatten gehend, den Gipfel vergleichsweise bequem erreichen. Die paar Felsblöcke unterhalb des Gipfelaufbaus kann man kaum als Kletterstellen bezeichnen. Sie sollten für geübte Wanderer im Aufstieg kein Problem darstellen.

Wir verlassen den kühlen Schatten unmittelbar unterhalb des Gipfels und erreichen mit wenigen Schritten genau dort ein Rechteck aus etwa brusthohen Trockenmauern. Es handelt sich dabei weder um einen alten Ziegenpferch noch um ein Relikt aus der Guanchenzeit. Es wurde 1850 von dem britischen Astronomen Charles Piazzi Smith und seinen Helfern als erstes Observatorium Teneriffas angelegt. Dass er genau hier arbeitete, war kein Zufall. Noch 100 Jahre zuvor galt der Pico del Teide als der höchste Berg der (bekannten) Welt. Zwar war der Mont Blanc damals schon vermessen und galt als höchster Berg Europas, die Kanaren zählte man aber noch nicht zu Europa, und die Höhe des Teide war noch unerforscht. Die besonders klare Luft rund um den Teide war allen Forschern dieser Zeit ein Begriff, weshalb seit 1764 immer wieder der Bau eines Observatoriums am Teide gefordert wurde.

Anders als heute war bis in die 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts das Erreichen der Teidebasis wesentlich mühsamer; denn es gab keine Straße  und auch keinen gut ausgebauten Weg dorthin. Allein das Überqueren der zahlreichen Lavazungen ist bis heute für jeden Fußgänger ein ziemliches Problem, das man besser vermeidet. Andererseits gab es aus guanchischer Zeit bereits den Camino de Chasna, der La Orotava mit Vilaflor verband. Das war per pedes eine Drei-Tage-Reise. Und genau dieser Weg führte aus den Cañadas auf die Degollada de la Guajara, den Sattel kurz unterhalb des Gipfels und den nördlich davon gelegenen Pasajirón. Damit lag der Standort des ersten Observatoriums der Insel, welches zudem das damals höchstgelegene der Welt war, buchstäblich vor Augen.

Die moderne wissenschaftliche Klimaforschung hatte zwar schon ein halbes Jahrhundert vor Piazzi Smith durch Humboldt begonnen, der bei seiner Teidebesteigung die Höhe des Mar de Nubes bestimmt und dessen Ursache im Nordost-Passat sowie die regelmäßige Abnahme der Temperatur bei zunehmender Höhe erkannt hatte, die Erklärung, weshalb das Mar de Nubes nach oben immer wie mit einem Lineal begrenzt ist, blieb jedoch Piazzi Smith vorbehalten. Der in großer Höhe dem Nordost-Passat entgegengesetzt strömende Antipassat aus Südwest schafft trockene, wärmere Luft heran, die hier absinkt, damit das besondere Kanarenklima maßgeblich bestimmt und letztendlich verhindert, dass sich die Passatwolken nach oben ausdehnen können, wie das  Wolken normalerweise tun.

Noch im selben Jahr verlegte Piazzi Smith sein Observatorium auf den Teide, um auch von dessen 1000 m höher gelegenem Gipfel Beobachtungen zu erhalten. Sein neuer Stützpunkt ist heute allen, die den Teide auf dem Normalweg besteigen, gut bekannt: Altavista! Man errichtete dort oben in 3200 m Höhe eine Holzbarracke, die zum Vorgänger der Schutzhütte „Refugio de Altavista“ wurde. Die Holzbarracke ist heute Vergangenheit, aber die Mauern auf der Guajara trotzen erfolgreich schon seit mehr als 160 Jahren Stürmen, Eis und Schnee. Das heutige international anerkannte meteorologische Observatorium in Izaña (Centro de Investigación Atmosférica) besteht erst seit 1984 und feierte 2009 sein 25-jähriges Bestehen.

Michael von Levetzow
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